Nuernberg ist weithin bekannt für seine Weihnachtsmarkteiner der größten in ganz Deutschland, für sein malerisches Stadtzentrum und für Nürnberger Bratwürst'l. Diese kleinen leckeren Würstchen sind ganz typisch für die Franken und ihre Vorliebe für eine rustikale und einfache Küche. Aber es gibt noch ein anderes Restaurant zu entdecken, ein kulinarisches Kleinod: das Restaurant Essigbrätlein (kein Link, da keine Website;-)). Ohne sein großes altes Namensschild wäre es inmitten der Altstadt mit ihren vielen kleinen Häusern schwer zu finden.

Essigbrätlein

Von außen sieht es wie ein gewöhnliches Gasthaus aus, und die Klingel an der Tür könnte als Mittel zur Begrenzung der Zahl der neugierigen Gäste gedeutet werden, die das Haus betreten. Im Inneren setzt sich der Gasthaus-Charakter mit dunklen Holzpaneelen und den typischen Kronglasfenstern fort. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass auf den Tischen nicht nur gewöhnliche Tischtücher, Untersetzer und verschiedene Gläser stehen.

Innenbereich

Dieses etwas reduzierte Interieur bildet die Bühne für den Patron Andree Köthe und seine einzigartige Küche. In den letzten 20 Jahren hat er seine "Gewürzküche" entwickelt, in der Gewürze, Kräuter und Gemüse die wesentliche Rolle spielen. Gemeinsam mit seinem Chef de Cuisine und Partner Yves Ollech zeigt er, dass Spitzenküche auch ohne die üblichen Luxuszutaten wie Steinbutt, Hummer und Co. möglich ist. Möglich, weil sie in der Lage sind, scheinbar unspektakuläre Produkte durch den intelligenten Einsatz von Kräutern und Gewürzen zu veredeln. Das Ergebnis ist interessant genug für fortgeschrittene Feinschmecker, die eine Küche abseits der ausgetretenen Pfade erleben wollen.

Yves Ollech & Andree Köthe

Das Menükonzept ist einfach: Neben einem viergängigen Mittagsmenü gibt es ein siebengängiges Abendmenü, bei dem alle Gänge à la carte bestellt werden können. Angesichts des kleinen Teams in der Küche ist dies die einzige Möglichkeit, eine so anspruchsvolle Küche zu sehr günstigen Preisen zu realisieren. Das begrenzte Angebot kommt bei den Gästen gut an, von denen viele im Laufe der Jahre zu regelrechten "Fans" des Restaurants geworden sind. Als einer von ihnen musste ich bei meinem letzten Besuch feststellen, dass viele (neue) Gerichte einer Verfeinerung bedurften, so dass das Gesamtniveau nicht mehr ganz so hoch war wie zuvor. Wir hatten eine leicht erweiterte Version des Mittagsmenüs:

Die Speisekarte

Entgegen der üblichen Praxis beginnt das Menü nicht mit einem Feuerwerk an Amüsements - fast geräuschlos und doch sehr auf den Punkt serviert die Küche drei Knabbereien: ein Mohnbrötchen mit Petersilienwurzelpüree (schönes Zusammenspiel von Textur und Erdigkeit), in Pfefferjus getränkte gebackene Brotwürfel mit getrocknetem Parmaschinken (diesmal etwas zu viel Jus, so dass er zu weich erschien) und ein formidabler gegrillter Aal mit Kümmel und Zitrone (nicht abgebildet), der es nach dem intensiven Pfefferbrot schwer hatte.

Nach diesem sinnerweckenden Intro wurde ein Klassiker von Köthe und Ollech serviert: Fenchel mit Gurke und Zitrone. Reduziert auf das Nötigste, ohne jeglichen Schnickschnack, präsentierten sie ein Millefeuille aus Gurke und sanft gekochtem Fenchel und garnierten es mit rohem mariniertem Fenchel, karamellisierten Fenchelsamen und offener Zitrone. Dann wurde es mit einem intensiven Gurkenjus und einer weniger aromatischen Fenchelcreme übergossen. Der Clou dieses Gerichts war das strukturelle Zusammenspiel von Gurke und den beiden Fenchelvariationen, die von einem schönen grün-herben Geschmacksakkord getragen wurden, der sich jedoch als etwas eindimensional herausstellte, da die Gurke zu dominant war und weder der Fenchel noch die Zitrone etwas dazu beitragen konnten. Auch die Textur der Zitrone war ziemlich enttäuschend und fast klebrig, so dass ein hervorragend komponiertes Gericht sein volles Potenzial nicht entfalten konnte.

Fenchel, Gurke & Zitrone

Als nächstes kam ein überraschendes Meisterwerk: See-Samlet mit Blumenkohl - Das Samlet von hervorragender Qualität wurde bei niedriger Temperatur im Ofen gegart und mit Blumenkohlpüree, dünn geschnittenem Blumenkohl und einer höchst aromatischen Tomatenbrühe kombiniert. Während dies für ein exzellentes Gericht ausgereicht hätte, fügten Köthe und Ollech genau den richtigen Hauch von Zimt in die Brühe hinzu, der dieses eher einfache Gericht auf ein nicht erwartetes Niveau katapultierte. Man könnte dieses Gericht noch perfektionieren, indem man den in Scheiben geschnittenen Blumenkohl kurz anbrät und so die Aromenvielfalt des Gerichts erhöht. Nichtsdestotrotz, ein echter Gewinner - chapeau!

See-Samlet mit Blumenkohl

Als weiteres Highlight präsentierte das Duo Staudensellerie mit Apfel und Rucola - eine genau ausbalancierte Kombination aus säuerlichen, leicht süßen und nussigen Aromen mit einem ebenfalls differenzierten texturellen Zusammenspiel. Ausgezeichnet!

Sellerie, Apfel und Rucola

Die Möhren mit Mohn, Petersilie und Dillsamen Joghurtwar konzeptionell schlüssig, muss aber noch verfeinert werden. Der Grundakkord aus Karotte, Mohn und Joghurt ist zwar schön und breit gefächert, wird aber durch sechs ähnliche Karottenstücke recht repetitiv und langweilt damit den Esser ein wenig. Hier könnte eine Variation des Kernprodukts das volle Textur- und Geschmacksspektrum einer an sich wunderbaren Karotte zeigen und mehr Spannung erzeugen. Sehr gut.

Möhren, Mohn & Dill

Das Wichtigste, Wildbret mit Schwarzwurzeln und getrockneten Birnenwurde durch viel zu dominante Macadamianüsse, die die spärlich dimensionierten Stücke getrockneter Birne völlig erdrückten, fast ruiniert. Wildbret und Schwarzwurzeln konnten sich wirklich verbinden, so dass letztere nur eine Beilage waren. Sehr gut.

Hirschfleisch, Schwarzwurzeln und getrocknete Birnen

Leider war das Dessert eher trivial und sogar banal: Milchschokoladeneis, serviert mit einem Stück lauwarmer Mango und einem intensiven Brunnenkresse-Jus. Was auch immer ich probiert habe, die Elemente haben sich nicht verbunden, so dass es nur gut war, aber der Funke ist bei mir nicht übergesprungen.

Vollmilchschokoladeneis mit Mango und Brunnenkresse

Petit fours sind hier etwas Besonderes - eine Auswahl an hausgemachter dünner Schokolade mit verschiedenen Früchten und Nüssen. Köstlich, aber ein bisschen schwer zu essen, da die Schokolade sofort in den Händen schmilzt.

Petit Fours

Insgesamt

Das Essigbrätlein ist wirklich ein besonderer Ort mit einer einzigartigen Küche. Es scheint, dass Köthe und Ollech einfach ihr eigenes Ding machen, ohne sich wirklich dafür zu interessieren, was andere/"normale" Fine-Dining-Restaurants tun. Die Küche konzentriert sich auf die intelligente Verwendung von Kräutern, Gewürzen und Gemüse und hat eine ganz eigene Note, ohne ultramodern zu sein. In gewissem Sinne würde es in das Neue Naturprodukte Gruppe, ohne völlig dogmatisch oder regional zu sein. Einfach authentisch.

Aber es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die Küche an einem Wendepunkt steht: Seit dem zweiten Stern im November 2007 besteht ein gewisser Druck, neue Gerichte zu kreieren - zuvor schien das Repertoire eher statisch auf einem sehr hohen Niveau zu sein und präsentierte ausgefeilte und perfektionierte Gerichte abseits des Gourmet-Mainstreams. Im Moment sieht es so aus, als ob es noch einiger Arbeit bedarf, um wieder zu der Leistung zurückzukehren, die ihnen den zweiten Stern eingebracht hat.

Sicherlich einen Besuch wert, wenn Sie in der Region sind - rechtfertigt keine spezielle Reise nach Deutschland, aber einen kleinen Umweg!


Eine Antwort zu „Essigbrätlein: A German Contribution to the New Naturals?“

  1. [...] lokale Küche, die vielleicht an die Philosophie von Noma's Nordic Cuisine erinnert. Werfen Sie einen Blick auf die Mahlzeit von High End Food, die im Juni [...]

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